»Mit etwas spekulativer Chuzpe und mit etwas mehr zeitlichem Abstand zum Phänomen wäre ich geneigt zu sagen, dass Schlegel solche gegenwärtige Phänomene der Post-Internet-Art wie Vaporwave oder DIS mit gesteigerter Aufmerksamkeit verfolgt hätte. Er hätte womöglich Potenziale gewittert, den großen Ausbruchsplan der Kunst, den die Romantik vorbereitete und der dann von späteren Kunstbewegungen wie beispielsweise dem Dadaismus weitergesponnen wurde, schlussendlich zu realisieren. Wenn die Post-Internet-Art von der Romantik lernt, wenn sie vielleicht selbst zu so etwas wie einer im philosophischen Sinne neo-romantischen Kunst wird, hat sie die Chance, emanzipatorische Ideen zu entwickeln – Ideen, die institutionellen, an Deutungshoheit respektive Machterhalt interessierten Vertretern der oben erwähnten Kunstfachdisziplinen schon zu Zeiten der Romantik suspekt sein mussten und ihnen auch noch heute Unbehagen bereiten. Unverblümt ausgedrückt: Die Territorial Pissings der kunstrichtenden Institutionen riechen nach Angst. Betrachtet man die Debatte aus einer meta-kritischen Perspektive, wird eines evident: Die Diskussion darüber, ob die Post-Internet-Art nun kritisch-akzelerationistisch oder affirmativ-hedonistisch, ja ob sie überhaupt Kunst sei, ist in Wirklichkeit gar nicht die Frage, die für das Phänomen entscheidend ist. Sie überdeckt die kunstinstitutionelle Frage, die zugleich eine zutiefst politische ist: Was ist die Zukunft des Denkens, Schreibens und Urteilens über Kunst? Wer darf wie und wo respektive in welcher medialer Erscheinungsform darüber nachdenken und Entscheidungen darüber treffen, was Kunst ist und was aus dem Kreis des Künstlerischen auszuschließen ist? Es wird dies wohl eine auf ewig offene Frage bleiben. 1:0 für die progressive Universalpoesie.«

Auszug aus dem Essay »Der große Ausbruchsplan – Wie viel Romantik steckt in Post-Internet-Art und Vaporwave?«, veröffentlicht auf LÜCKE – Kunstblog zwischen Flut und Wagnis.